Im Rahmen des diesjährigen EDV-Gerichtstages in Saarbrücken, Mitte September, hat juris die durch ein Sprachmodell unterstütze Softwareanwendung juris KI vorgestellt. Damit haben nun alle relevanten Anbieter juristischer Online-Datenbanken eine KI-Lösung annonciert, welche die Recherche in juristischen Fachinformationen erleichtern soll oder sonstige Funktionen für juristische Recherchearbeit bereithält. Die Lösungen befinden sich teilweise noch in Pilot- oder Beta-Testphasen, sodass es noch etwas dauern wird, bis die breite Masse der Nutzer die Qualität des Outputs dieser KI Lösungen überprüfen kann. Es lohnt sich jedoch ein erster Blick auf aktuelle Funktionsumfänge und die Art der Integration.
Wolters Kluwer Online – GPT Zusammenfassungen
Alle Nutzer von Wolters Kluwer Online können in der Datenbank vorhandene Gerichtsentscheidungen der letzten drei Jahre zusätzlich zum Volltext in einer mit GPT-Technik zusammengefassten Version anzeigen lassen, um so umfassende Inhalte schneller erfassen zu können. GPT steht für generative pre-trained transformer, bekannt als der im Jahr 2022 gestartete Chatbot des Anbieters OpenAI.
beck-online – beck-chat
beck-online hat für ausgewählte Beta-Tester aktuell den beck-chat freigeschaltet. Die Chat-GPT-Zusatzfunktionen können aktuell im Arbeits- und Mietrecht ausprobiert werden. Das Chat-Fenster ist ein Overlay über der beck-online Nutzeroberfläche und lässt sich bei Bedarf maximieren, minimieren oder ausblenden. Die Assistenzfunktion scheint derzeit auf die Beantwortung von Fragen beschränkt zu sein. Bei Aufforderungen, einen bestimmten Entwurf zu erstellen, verweist der beck-chat nach Hinweisen, was in einem Entwurf zu beachten ist, pauschal auf in beck-online vorhandene Muster und Formulare.
ottoschmidt online – Answers
Zusammen mit Taxy.io hat der Verlag Dr. Otto Schmidt Answers in ottoschmidt online gelaunched. Answers ist aktuell als Modul im Steuerrecht und im Arbeitsrecht buchbar. Die KI-Assistenz liefert hier nicht nur Antworten auf juristische Fragestellungen, sondern hat in unseren Tests auch brauchbare Entwürfe, zum Beispiel beim Erstellen von Arbeitsverträgen, erstellt. Die Answers Funktion ist aktuell als zusätzliche Nutzeroberfläche neben der von ottoschmidt online erreichbar. Es wird über eine Verlinkung ein neuer Tab im Browser geöffnet. Folgt der Nutzer Fußnoten in der Antwort von Answers, wird er in einem neuen Tab zurück in die Nutzeroberfläche von ottoschmidt online geführt.
juris – juris KI
Im Vergleich der Anbieter sind die angekündigten juris KI-Funktionen sehr tief in die juris-Nutzeroberfläche integriert. So kann sich der Nutzer entscheiden, ob eine Eingabe an die juris-Suche oder an juris KI übergeben werden soll. Innerhalb der Dokumentenansicht können Fragen zum Dokument an juris KI gestellt werden sowie KI-gestützte Textübersetzungen oder Zusammenfassungen angewiesen werden. Fragt sich der Nutzer bei der tiefen Integration der KI-Funktionen, ob er sich gerade in einem KI-generierten oder klassischen juris-Inhalt befindet, hilft eine neue, eindeutige Farbgestaltung der KI-Texte. Auch das Erstellen von konkreten Entwürfen wurde in der ersten öffentlichen Präsentation vorgestellt sowie die Möglichkeit des Promptens via Spracheingabe.
Fragestellungen für den Einsatz in Kanzleien
Technisch umgesetzt werden die KI-Funktionen nach dem Modell Retrieval-Augmented Generation (RAG), das sich dadurch auszeichnet, dass weder die schützenswerten Inhalte der Fachinformationsanbieter noch die Eingaben der Nutzer für das Training des jeweiligen Sprachmodells genutzt werden. Es handelt sich hier jedoch meist um eine vertragliche Zusicherung. Technisch werden, zumindest für die Erstellung einer Antwort, die Eingabe des Nutzers in Verbindung mit relevantem Kontext des Datenbankanbieters an ein extern gehostetes Sprachmodell übergeben. Für den Kanzleieinsatz ist nach aktuellem Stand zu empfehlen, auf Datenschutzvereinbarungen und Verschwiegenheitsverpflichtungen der externen Dienstleister zu achten, Prompts selbst oder mithilfe von Technik (hier gibt es mittlerweile entsprechende Browser Plugins) zu anonymisieren und bei der Verwendung von KI-generierten Inhalten mögliche Urheberrechte zu beachten.
Fazit
Die ersten Umsetzungen von KI in juristischen Online-Datenbanken lassen ahnen und auch schon erfahren, welche Zeitersparnis, besserer Zugang und bessere Verwertung von Inhalten mit der neuen Technik möglich ist. Entscheidend wird hier in Zukunft die Qualität der Antworten sein und, wie die Zielgruppe von Geheimnisträgern ein nach Datenschutz und Berufsrecht regelkonformes Prompten umsetzen kann.
Christian Rekop leitete von 2007 bis 2020 den Bereich Wissen und Recherche bei Soldan, seit 2021 ist er Leiter Business Development, Legal Tech und Services. Christian Rekop ist Dozent für Legal Tech Management an der FOM Hochschule. Vor seiner Zeit bei Soldan hat er an der Ruhr-Universität Bochum das Studium Rechtswissenschaft belegt, mit dem ersten juristischen Staatsexamen 2006 abgeschlossen und nach dem weiterführenden Studiengang Wirtschafts- und Steuerrecht den Abschluss Magister Legem (LL.M.) erworben.