Sichere Videoverhandlungen – auf die Technik kommt es an

22. Februar 2024
Anke Stachow

In seiner Sitzung am 21. Februar 2024 hat der Vermittlungsausschuss die Verhandlungen über das Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten vertagt. Ein neuer Termin steht derzeit noch nicht fest. Dem Bundesrat war der Entwurf, der vom Bundestag Ende vergangenen Jahres beschlossen worden war, in manchen Punkten zu weit gegangen. Das betraf insbesondere die Regelung, dass das Gericht die Verhandlung künftig auch aus dem Homeoffice führen dürfen sollte. (Link: https://digitalekanzlei.de/richterspruch-aus-dem-homeoffice/)

Auch ohne, dass das Gesetz in Kraft ist, finden auch regelmäßig Verhandlungen über Videokonferenztechnik statt: So ist es nach § 128 a ZPO möglich, dass sich die Parteien an einem anderen Ort aufhalten und die Verhandlungen „zeitgleich in Bild und Ton an diesen Ort und in das Sitzungszimmer“ übertragen wird. Allerdings befinden sich dann zumindest die Richter im Gerichtssaal. Doch was passiert, wenn etwas mit der Übertragung nicht klappt? Technische Tücken und Pannen rund um die Videoverhandlungen haben daher in letzter Zeit immer wieder die Gerichte beschäftigt.

So erließ zum Beispiel das Landgericht Bielefeld im vergangenen Herbst ein Versäumnisurteil gegen einen Kläger, weil sein Anwalt während der Videoverhandlung nur zu hören, aber nicht zu sehen war (Az.: 3 O 219/20 vom 25.09.2023). Nach Auffassung des Gerichts hatte er nicht geprüft, ob die Technik funktioniert und auch mit der des Gerichts kompatibel ist, obwohl er explizit im Vorfeld auf die technischen Anforderungen hingewiesen worden war. Er habe damit gegen seine berufsrechtlichen Sorgfaltspflichten verstoßen, befand das Gericht.

In einem anderen Fall entschieden sich die Richter des Oberlandesgerichtes Celle hingegen gegen ein Versäumnisurteil: Auch hier scheiterte die Übertragung aus technischen Gründen – allerdings blieben die Ursachen dafür ungeklärt. Daher konnte nicht eine Partei für das Scheitern verantwortlich gemacht werden, urteilten die Richter und vertagten die Verhandlung auf einen anderen Termin (Az.: 24 W 3/22 vom 15.9.2022).

Aber nicht nur die Anwaltschaft muss ihre Sorgfaltspflichten erfüllen, auch die Gerichte müssen die gesetzlichen Anforderungen beachten. So war bei einer Videoverhandlung, die vor dem Finanzgericht Münster stattfand, die Kamera im Sitzungssaal so angebracht worden, dass hauptsächlich der Vorsitzende Richter zu sehen war. Die übrigen Richter und der aktuell sprechende Richter waren nie gleichzeitig zu sehen. Das sei nicht zulässig entschied der Bundesfinanzhof (BFH), der vom Kläger wegen Nichtzulassung der Revision angerufen wurde. Bei einer Videokonferenz müsse „für die Beteiligten während der zeitgleichen Bild- und Tonübertragung nach § 91a Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - ähnlich wie bei einer körperlichen Anwesenheit im Verhandlungssaal - feststellbar sein, ob die beteiligten Richter in der Lage sind, der Verhandlung in ihren wesentlichen Abschnitten zu folgen“, heißt es in dem Leitsatz der Entscheidung (Az.: V B 13/22 vom 30.06.2023). Und weiter: Dies erfordere, dass alle zur Entscheidung berufenen Richter während der Videokonferenz für die lediglich zugeschalteten Beteiligten sichtbar seien. Der BFH verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das Finanzgericht Münster.

Aus einer anderen BFH-Entscheidung geht hervor, dass alle Beteiligten des Verfahrens der Verhandlung auch ohne körperliche Anstrengungen und Verrenkungen folgen müssen. In dem vorliegenden Fall hatte der Geschäftsführer der Klägerin, der im Gerichtssaal anwesend war, den Vertreter des Finanzamts nur sehen können, wenn er sich um 180 Grad gedreht habe, da das Bild hinter seinem Rücken an die Wand geworfen wurde. Auch dies sei in einer Videoverhandlung nicht zulässig, urteilte der BFH (Az.: IX 104/22 vom 30.06.2023). Es müsse jeder Beteiligte zeitgleich die Richterbank und die anderen Beteiligten visuell und akustisch wahrnehmen können. In diesem Fall sei jedoch der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Das Grundrecht auf einen gesetzlichen Richter sah ein Beschwerdeführer verletzt, weil bei der Videoverhandlung eine Kamera ohne Zoomfunktion eingesetzt worden war. Es habe daher keine Möglichkeit bestanden, die „mentale Anwesenheit und Unvoreingenommenheit der Richterbank“ überprüfen zu können. Seine darauf gerichtete Verfassungsbeschwerde nahm das Bundesverfassungsgericht jedoch nicht zur Entscheidung an (Az.: 1 BvR 1615/23 vom 15.01.2024). Die fehlende Zoomfunktion reiche aber nach Ansicht des Gerichts nicht aus, um auf einen Verdacht der Befangenheit oder auf die Verletzung des Rechts auf einen gesetzlichen Richter zu schließen. Allerdings führten die Richter an, dass das Recht auf ein faires Verfahren durch die unflexible Kamera verletzt worden sein könnte. Dieses Prozessgrundrecht hatten die Beschwerdeführer allerdings nicht angeführt.

Der Blick auf die Rechtsprechung zeigt, dass der Technik und ihrer Beherrschung bei den Videoverhandlungen eine große Bedeutung zukommt, wenn rechtssichere Urteile gefällt werden.

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