Wer die Automatisierung mithilfe von Technik in der eigenen Kanzlei vorantreiben möchte und sich zuvor noch nicht mit Techniken des klassischen Projektmanagements beschäftigt hat, könnte vorab von einigen Erkenntnissen profitieren, die wir bei Soldan aus den Erfahrungen in der Begleitung von Kanzleien im digitalen Wandel ableiten können. In einer sechsteiligen Artikelserie zur Digitalen Kanzlei sollen in diesem ersten Teil zunächst die Erkenntnisse geteilt und in weiteren Teilen dann Automatisierungsschritte mit einer gewissen Mustergültigkeit für Kanzleien als Best Practices beschrieben werden.
Grundsätzliche Erkenntnisse aus Digitalisierungsprojekten in Kanzleien
Zunächst wird einem das Potential für Automatisierung nicht selten riesig erscheinen. Das verleitet schnell dazu, sich und vor allem den übrigen Mitgliedern der Kanzlei zu viel zuzumuten. Kleine Schritte und für den Anfang nur ein Einzelner ist der, den auch alle mitgehen können. Die Freude über die Arbeitserleichterung durch Schritt eins ist der Schwung für Schritt zwei und drei.
Im klassischen Kanzleibetrieb weiß jeder sehr genau, was er zu tun hat. Mandantenakquise, juristische Fallbearbeitung, Beratung und Prozessvertretung erledigen die Anwältin und der Anwalt. Büroorganisation, Mahnverfahren und Zwangsvollstreckung sowie Gebührenabrechnung erledigen die gut ausgebildeten Kanzleimitarbeiterinnen und -mitarbeiter. Was für das herkömmliche Geschäft sehr effizient erscheint, ist für Wandel und Neuausrichtung eine schlechte Voraussetzung. Diversität, insbesondere in Form von Interdisziplinarität, auf Team- und Kanzleiebene sind ein Rezept gegen stagnierte Sicht- und Verhaltensweisen. Interdisziplinäre Teams sind mit Blick auf die Innovationskraft überdurchschnittlich erfolgreich. Um das Engagement von Jurist und Nicht-Jurist, Techniker und Betriebswirt in einem interdisziplinären Team sicherzustellen, muss sich jedes Team-Mitglied am Team-Erfolg messen lassen, was in vielen Fällen eine Abkehr von dem vorangegangenen, unbedingten Fokus z.B. auf Umsatz, abrechenbare Stunden oder Anzahl an Urkundennummern bedeutet.
Kanzleiabläufe in Kategorien
Eine Kategorisierung der Kanzleiabläufe ist für eine schrittweise Herangehensweise bei Automatisierungsvorhaben unumgänglich. Eine bewährte und auf viele Kanzleiprozesse zutreffende Kategorisierung könnte die folgende sein, die sich an dem Lebenszyklus von Dokumenten in einer Kanzlei orientiert:
1. Digitaler Posteingang
2. Dokumentenmanagement
3. Wissensmanagement
4. Dokumentenautomatisierung
5. Digitaler Postausgang
Kategorisieren, Schritte definieren, Standardisieren, Automatisieren
Innerhalb der Kategorien lassen sich dann einzelne, kleine Schritte definieren. Die Schritte, die sich im bisherigen Kanzleiablauf täglich besonders häufig wiederholen, sollten alsdann auf Standards bzw. Standardisierbarkeit hin überprüft werden und schließlich kann dann der eine Schritt ausgewählt werden, dessen Automatisierung eine besonders deutliche Arbeitserleichterung bedeuten würde oder ein anderer Schritt der besonders schnell und einfach automatisiert werden könnte.
Im folgenden Teil der Artikelserie zur Automatisierung von Arbeitsabläufen in Kanzleien soll der Digitale Posteingang beleuchtet werden bzw. welche Schritte notwendig sind, um den Posteingang digital zu gestalten und eingehende Dokumente optimal für die weitere Verarbeitung vorzubereiten.
Christian Rekop leitete von 2007 bis 2020 den Bereich Wissen und Recherche bei Soldan, seit 2021 ist er Leiter Business Development, Legal Tech und Services. Christian Rekop ist Dozent für Legal Tech Management an der FOM Hochschule. Vor seiner Zeit bei Soldan hat er an der Ruhr-Universität Bochum das Studium Rechtswissenschaft belegt, mit dem ersten juristischen Staatsexamen 2006 abgeschlossen und nach dem weiterführenden Studiengang Wirtschafts- und Steuerrecht den Abschluss Magister Legem (LL.M.) erworben.